Intime-Berichte
 
Bericht des Ingerimm-Geweihten Faberon Noldis an den Geweihten Peredur von Nordhag im Tempel zu Havena – 19. Rondra 34 Hal
 

Hoch geschätzter Meister Peredur,

 

vor etwas über einem Mond verließ ich den Tempel – und damit die Stätte, die einen ganzen Lebensabschnitt lang meine Heimat gewesen war – um meinen ersten Auftrag im Namen des großen Ingerimm, dem Schmied Alverans, Hüter des himmlischen Feuers, zu erfüllen. Der Abschied fiel schwer, aber auch hatte eine Flamme in meiner Brust zu brennen begonnen bei dem Gedanken an die Länder, die ich nun bereisen werde und an die Menschen, die ich nun treffen, und denen ich von der Macht und der Größe Ingerimms erzählen würde. In vielen Ländern bin ich seither noch nicht gewesen – allein meine Familie in Winhall habe ich besucht, von der ich Euch ausdrücklich die besten Grüße übermitteln soll, und ich erreichte zum 14. Rondra die Burg Harmlyn, an deren Tor mein Auftrag mich geführt hatte. Zuvor hatte ich den Baron von Weidenau und seine Begleiter getroffen, die Auftragsgeber in diesem Fall, und außerdem begleitete uns den letzten Stück des Weges ein junges Paar, das auf der Burg nach einer Anstellung fragen wollte.

Meine Reise nach Harmlyn, die bis zu diesem Zeitpunkt, nämlich bis kurz vor das Burgtor, von Aves gesegnet ruhig verlaufen war, brachte mich nun plötzlich und völlig unerwartet in große Gefahr. Ja, zu diesem Zeitpunkt hielt ich es für die allergrößte Gefahr, was mir wiederfuhr, was sich nicht viel mehr als einen Tag später als naiv herausstellte. Der größten Gefahr in diesen Tagen stand ich, bei Ingerimm, zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegenüber.

Nun, ein Haufen wild aussehender Orks stürzte mit gezückten Waffen aus einem Hinterhalt auf uns zu. Den Göttern sei Dank waren wir der Burg schon so nahe, dass sie uns erst kurz vor dem Tor stellen konnten – natürlich waren wir ob der Nähe der Festung, unserer Überraschung und der Überzahl des Gegners schnellstmöglich davongelaufen. Rondra möge mir verzeihen, aber ich habe mich in der folgenden Zeit öfters in ihren Dienst gestellt, als ich wollte, und als ich jemals befürchtet hatte.

Die Orks wurden am Tor zurückgeschlagen und wir konnten uns in Sicherheit bringen, aber ein Kriegsgerät, welches die Weidenauer mit sich geführt hatten, wahrlich eine Meisterleistung ihres Mechanikus, die Ingerimm Freude bereitet hätte, wurde von den Orken erobert. Zum Glück wurde das Gerät wenig später wieder aufgefunden, wenn es auch beschädigt war. Die Schwarzpelze hatten mit der Mechanik wohl nicht viel anfangen können.

Wie dem auch sei, mein Aufenthalt auf der Burg, und damit die dort vorgesehenen Feierlichkeiten, denen ich beiwohnen wollte, standen von da an unter keinem guten Stern. Allein den tapferen und rechtgläubigen Männern und Frauen, die sich mit mir dort befanden, und der Gnade der Götter ist es zu verdanken, dass die Ereignisse so glimpflich ausgegangen sind. Ich danke wirklich allen zwölfen – und ihren Kindern – dafür, so viele vortreffliche Gefährten dort gefunden zu haben. Ich war sehr überrascht zu sehen, dass sich Geweihte fast aller Hauptkirchen (außer Efferd und Tsa) und verschiedener der kleinen Kirchen (wie Aves und Kor) auf der Burg befanden. Dass dies wohl allein dem unergründlichen Lenken der Götter zu verdanken sein musste, die Ihre Diener und Streiter hier zu der bevorstehenden Schlacht gegen das Böse versammelten, wurde mir erst viel später klar.

Zunächst saß mir der Schreck des Angriffs noch in Gliedern, aber die Sicherheit der Burgmauern und die höchst erfreuliche Gesellschaft der Geweihtenschaft und auch der vielen anderen, die alle zu nennen diesen Bericht wohl sprengen würde, von denen ich aber jeden einzelnen in meine Gebete einschließe, vertrieb meine Sorgen fürs erste. Beunruhigt wurde ich erst, als des Abends Gerüchte laut wurden, das möglicherweise ein Angriff auf die Burg bevorstünde. Es hatte in der Nähe, auf dem land der erlauchten Familie Sappenstiel, wohl einen angesiedelten Orkstamm gegeben, der in freundlicher Beziehung zu den Nostriern stand. Das so etwas möglich ist, wahr mir bis dato nicht klar gewesen – hatte ich zwar erst wenige Orks gesehen, so hatte ich doch über sie gelesen und gehört, und zwar wenig gutes. Das, was ich in diesen Tagen dann noch von ihnen sah, übertraf all diese Geschichten aber noch. Es ist etwas anderes, den Erzählungen der Alten zu lauschen, als Auge in Auge mit einer solchen Kreatur zu stehen mit dem Gedanken, dass der innigste Wunsch in ihrem verdorbenen Herzen es ist, einen in Stücke zu hacken.

Aber ich schweife ab. Nur hatte ich in den letzten Tagen kaum einen ruhigen Moment, denn sobald ich für mich war, suchten mich Gedanken und Erinnerungen heim, die ich lieber vergessen möchte – auch wenn ich weiß, dass es besser ist, sie mit Hilfe der Götter zu verarbeiten und aus diesen Erfahrungen für die Zukunft zu lernen.

Jedenfalls stellte sich heraus, dass dieser befreundete Orkstamm von einer Horde kriegerischer gesinnter Artgenossen angegriffen und niedergemetzelt worden war. Woher diese Orks gekommen waren, ist wohl nicht ganz geklärt, doch hörte ich auf meiner Reise im schönen Albernia, dass ein Orkheer von dort über die Tommel getrieben und versprengt worden war. Ich vermute, dass es sich bei dieser Horde um einen Teil des Heeres handelte.

Die Orks griffen an diesem Abend auch noch mehrfach an, mal das Tor, mal ein etwas außerhalb gelegenes Lager, wo vor allem Thorwaler aus der Familie der Gemahlin Kunibalds von Sappenstiel ihre Zelte aufgeschlagen hatten.

Dank der Stärke der Waffen der Burgwachen und der anwesenden Soldaten und dank Rondra konnten diese Scharmützel aber zu unseren Gunsten geschlagen werden. So legte ich mich zu Bett, die Stunde war durch Gespräche mit den anderen Geweihten schon recht fortgeschritten. Auch hatte eine wundervolle Darstellung zweier Gaukler, wahrhaft von Ingerimm gesegnete Leute, die Gemüter erhellt und die Herzen der Gäste erfreut.

Am nächsten Morgen weckten uns die Rufe des Herolds der Sappenstiels. Ich hatte tief in Borons Armen gelegen, die Schrecken des vergangenen Abends schienen weit entfernt und ich blickte voller Freude auf den Abend, an dem der Ball mit der feierlichen Lehensvergabe an Kunibald von Sappenstiel stattfinden sollte, wegen der ich schließlich den Weg nach Harmlyn auf mich genommen hatte.

Aber es hatten sich merkwürdige – und beängstigende – Dinge in der Nacht ereignet. Als ich nach dem Morgengebet den Burghof betrat, erfuhr ich, dass mehrere Personen in der Nacht Träume gehabt hatten, die wohl nicht von Boron gesendet wurden... nun, zumindest nicht im üblichen Sinne. In diesen Träumen hatte eine dumpfe Stimme zu ihnen gesprochen, und eben jene Stimme war noch in der Nacht, als ich mich bereits zur Ruhe begeben hatte, auch an verschiedenen Orten innerhalb der Burg gehört worden. Für mich waren es unverständliche Rätselworte, von denen die Träumenden erzählten, dem scharfsinnigen Hofmagus Ephraim Ilmenblick und anderen anwesenden Magiern gelang es aber, die Botschaft weitgehend zu entschlüsseln. Hinzu kamen eine Vision des Rondrageweihten Cordovan von Donnerbach, in der ihm eine lokale Rondraheilige erschien, und der Bericht eines Waldläufers, Randolf von Quellenstein, der mir erzählte, im Wald mit einer gequälten Seele in Kontakt geraten zu sein, bei der es sich wohl um den Verursacher der Stimmen handelte.

Jedenfalls ergab sich folgendes Bild:

Die Stimme, und somit die Anweisung, die sie uns gab, entstammten wohl einem gewissen Answin Berlind. Dieser war – oder ist nun wieder – der Vater des Kindes von Alena von Sappenstiel-Sippwitz. Answin war anscheinend bei dem Versuch, Alena aus den Händen ihres eigenen Vaters, Perainor von Sappenstiel, der zu den Borbaradianern übergetreten war, gestorben. Die Umstände seines Todes waren wohl sehr tragisch, auch wenn ich die genaue Geschichte noch nicht erfahren habe.

Die Frage, ob Answin nun wirklich getötet worden war, sollte ich noch einmal mit dem Boroni der Burg diskutieren. Jedenfalls schien seine Seele von seinem Körper getrennt zu sein. Die Seele suchte spukend die Burg heim, während der Körper sich im Besitz der Orken befinden sollte. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich mir noch nicht ausmalen, warum er sich dort befinden sollte – inzwischen ist mir die ganze Sache etwas klarer. Besser wird sie dadurch allerdings nicht.

Jedenfalls wurde beschlossen, das Flehen und Bitten der Geiserstimme zu erhören und ihre Anweisung zu befolgen: Ihren Körper zu finden. Ein großer Trupp bewaffneter – ich darunter – machte sich unter dem Kommando der anwesenden Herren Barone und unter dem Oberbefehl der Burgherrin, Rondriane von Sappenstiel, auf den Weg, das Lager der Orken aufzusuchen und sie zu vertreiben.

Dank der Fähigkeiten unserer Kundschafter, Fährten zu lesen, konnte das Orklager aufgefunden werden und wurde eingenommen. Der Körper Answins wurde dabei gefunden, und weitere Angriffe der Orks aus dem Wald wurden abgewehrt. Auch ich stand dort in der Schlachtreihe, auch ich schwang meinen Hammer gegen den Feind – und auch ich tötete einen der Orks. Tsa und Peraine mögen mir verzeihen, dass ich dieses Leben vom Antlitz Deres gelöscht habe. Möge Boron – oder welcher Gott nun für die Seele dieses Wesens verantwortlich ist – ihm Frieden schenken.

Auch wurde ich in der Schlacht durch einen Pfeil verwundet, Peraine sei Dank waren aber viele Heilkundige und magiebegabte bei unserer Streitmacht, so dass ich bestens versorgt wurde. Peraine möge immer ihr wohlwollendes Auge auf dem Magus ruhen lassen, der mich heilte. So konnte ich meine Schuld vor dem Angesicht der Gütigen wieder etwas ausgleichen und in ihrem Namen, durch ihre und des Herrn Ingerimms Macht selbst einigen der Verwundeten helfen.

Wir kehrten siegreich in die Burg zurück, doch weitere Schrecken standen für uns bereit. Eine Krankheit war ausgebrochen, welche zunächst für die blaue Keuche gehalten wurde. So groß unsere Furcht auch war, bald darauf wünschten wir uns, dass es – nur – diese grässliche Seuche gewesen wäre. Die Dämonenpest war es, wie sich später herausstellte, und stündlich brachen weitere der mutigen Leute hustend zusammen und mussten ins Heilerzimmer getragen werden, wo Schwester Mirya, die Perainegeweihte, sehr bald den Tränen nah, sich mit ihren Helfern rührend um sie kümmerte. Aber sie war nicht die einzige aus der Geweihtenschaft, der an diesem Tage eine schwere Prüfung auferlegt wurde. In der Nacht war außerdem in der Burg eingebrochen worden, und neben der Entwendung wichtiger und wertvoller Dokumente aus der Bibliothek war die Burgkapelle, ein der Rondra geweihter Ort, durch unfreiwillig entrissenes Blut entweiht worden. Die beiden anwesenden Geweihten der Leuin, Asquirion von Perainefurten und Cordovan von Donnerbach, mussten ihr Versagen bei der Bewachung des Schreins eingestehen. Um ihre Schuld zu begleichen und um das Auge Rondras wieder auf den Ort zu lenken, zelebrierten sie gemeinsam mit dem Großteil der Geweihten, ich unter ihnen, einen Gottesdienst in der Kapelle, während dem wir freiwillig von unserem heiligen Blute gaben, um den Frevel fortzuwaschen.

Meine eigene Prüfung, die Ingerimm für mich vorgesehen hatte, war eine Lektion in Geduld. Ilpetta Ingrasim hätte ich sein  müssen, in den nächsten Stunden gewann der Zorn Ingerimms in meinem Herzen beinahe die Oberhand. Und viel stärker noch war die drohende Verzweiflung. Ich tat mein bestes, um den Magiern unter Adeptus Ilmenblick bei dem Ritual zu helfen, welches sie planten, um Answins Seele mit seinem Körper wieder zu vereinen. Quendan von Silas, Ein Draconit und Geweihter der Hesinde, begleitete das Ritual und bat mich, im Namen Ingerimms mit dafür zu sorgen, dass das Vorhaben unter dem Segen der Götter geschehe.

Außerdem war bekannt geworden, dass sich unter den entwendeten Dokumenten wohl auch eine Rezeptur befunden hatte, welche die Herstellung eines Heilmittels gegen die dämonische Seuche erlaubte. Dieses zu finden machte ich mir gemeinsam mit Leike von Fasar, einer Geweihten des Aves, zur Aufgabe – konnten wir doch beide nicht tatenlos zusehen, während die Zeit verstrich. Wir suchten nach allen verfügbaren Hinweisen, bei wem es sich um den Dieb handeln könnte – denn es musste jemand aus der Burg sein, soviel stand fest – und verfolgten eine Spur bis hin zu einer Gauklerin – bis wir voller Schrecken feststellen mussten, dass sich diese in der Bibliothek befand, wo das Ritual der Magier gerade im Gange war. Es war ihr anscheinend gelungen, ihre Hilfe dabei anzubieten – auch wenn wir inzwischen wissen, dass ihr einziges Anliegen die Störung der Zeremonie  war. Ihrer gerechten Strafe entkam diese Hexe – sie gab ihre Identität schließlich zu und wagte es gar in ihrem Zorn, mich mit ihrer finsteren Magie anzugreifen – nur durch ihren frühzeitigen Tod im Kerker. Ob sie diesen selbst herbeiführte oder wie es in den Wirren des späteren Angriffes dazu gekommen war, ist mir nicht bekannt.

Jedenfalls wollten wir direkt nach dem Verhör dieser Frau, der ihr Leben genauso wenig bedeutete wie ihr Seelenheil, ihr Zimmer durchsuchen, als wir im Treppenhaus von der Auffindung der verschwundenen Rezepte hörten. Ich bin mir nicht sicher, ob meine Nachforschungen nun zum Auffinden der Rezeptur beigetragen haben oder nicht, die größte Probe meiner Geduld erwartete mich, als die Heiler zugeben mussten, eine Abschrift des Rezepts die ganze Zeit besessen zu haben – ohne die Bedeutung zu kennen. Ich hätte am liebsten eine Wand eingerissen.

Trotzdem dankte ich natürlich den Göttern, denn mit Hilfe der nun eilig hergestellten Medizin konnten alle Erkrankten geheilt werden. Und das war, bei den zwölfen, unsere Rettung. Wir brauchten an diesem Abend noch jeden Mann und jede Frau.

Den Magiern war es inzwischen auf mir nicht verständliche Weise doch noch gelungen, dass Ritual zu vollenden. Es gelang ihnen, eine Seele in den Körper Answins zu bringen. Die anfänglichen Bedenken, ob es sich um die richtige Seele handelte, konnten durch einen heiligen, vor Praios geleisteten Eid zerstreut werden.

Answin klärte uns nun über unseren furchtbaren Feind auf: Es handelte sich um Alenas Vater, den einstigen Perainor – nun Mishkaranor, hatte der unselige doch einen Pakt mit dem Erzdämonen, dem furchtbaren Widersacher Peraines geschlossen und auf diesem Wege die schreckliche Krankheit in die Burg gebracht. Wir versammelten uns unter Waffen, um dem bevorstehenden Angriff möglichst gut vorbereitet entgegenzustehen. Ich war höchst erfreut, als ein junger Krieger, Waldemar von Mersingen-Eberstamm, dem ich beim Sturm des Orklagers schon mit Hilfe der Götter Heilung schenken konnte, mich in Anbetracht der bevorstehenden Schlacht darum bat einen Segen über ihn und sein Schwert zu sprechen, eine Bitte, die ich natürlich nicht ablehnte.

Wir warteten ein Weile, aber dann kamen sie. Am Tor griff eine Große Gruppe Orks an – mit Hilfe unheiliger Magie und Alchemie gelang es ihnen, das Tor zu sprengen und in die Burg einzudringen. Gleichzeitig erschienen im Burghof, wo ich mich aufhielt, plötzlich, wie aus dem Nichts, eine ganze Gruppe von Heshtotim. Wir griffen sie an, doch die meisten von uns ignorierten sie einfach – aus gutem Grund, denn unsere Waffen konnten ihnen keinen Schaden zufügen. Allein der Geweihte von Donnerbach konnte sie mit seinem Rondrakamm in Schach halten. Sie forderten Alena von Sappenstiel. Diese warf sich einem von ihnen mutig entgegen, ein geweihtes Schwert führend. Ich versuchte ihr zu helfen, wenigstens indem ich sie deckte, aber der Dämon fügte mir eine schwere Wunde am rechten Arm zu. Nichts ist schlimmer als einem solchen Wesen in die Augen zu blicken, aber der Schmerz, der durch meinen Körper schoss, zerriss mich fast. Ich floh, blind vor Angst, kauerte mich in einer Ecke des Burghofes nieder und flehte zu den Göttern, mir zu helfen. Mein Gebet wurde erhört – die Hilfe kam in Gestalt der lieblichen Dienerin Rahjas Belina von Octyldot-Adersin und nun war es an mir, die Macht der Götter am eigenen Leib zu spüren. Wie ich schon sagte, es war ein Segen, so viele ihrer Diener um sich zu haben.

Aufgrund meiner Verletzung hatte ich den Fortgang der Schlacht nicht beobachten können. Mindestens einer der Heshtotim – oder war es zu diesem Zeitpunkt schon Mishkaranor selbst – musste in die Burg eingedrungen sein. Der Geweihte von Donnerbach floh jedenfalls schreiend aus dieser, als hätte er dem Erzdämon persönlich ins Antlitz geblickt. Finstere Magie war am Werk, doch durch ein Stoßgebet nach Alveran wurde ihm die Freude und Zuversicht Rahjas wieder zuteil.

Als nächstes erinnere ich mich nur an die verwundeten Söldner, die im Burghof lagen, ein Mann und eine Frau. Was es mit ihnen auf sich hatte, weiß ich bis heute nicht, aber ich werde das Gefühl nicht los, hintergangen worden zu sein. Sie kämpften zunächst auf der Seite des Paktierers, wurden aber in den Kämpfen schwer verwundet. Als ich den Mann untersuchen wollte, behauptete er, wir wollten ihn töten, der Magier hätte ihm erzählt, wer wir wirklich seien und das wir Böses im Schilde führten und Frevel an den Zwölfen planten. Ich schloss auf einen magischen Bann und flehte wiederum Rahja und Ingerimm an, ihm Kraft zu geben, woraufhin er sich beruhigte. Später drückte er mir seine Dankbarkeit aus und versprach, mir den Sold in Höhe von vier Dukaten, den er für den Angriff von Mishkaranor erhalten hatte, zu übergeben, damit ich ihn einem unserer Tempel zukommen lassen könnte. Die Tatsache, dass er am nächsten morgen samt seiner Begleiterin verschwunden war, ohne die Spende abzuliefern, verstärkt mein Gefühl, dass dieser Mensch seine Hilflosigkeit nur vorspielte. Sollte dem so sein, so werden die Götter ihn für seine Skrupellosigkeit und Frevelhaftigkeit sicher in den Niederhöllen schmoren lassen!

Zu diesem Zeitpunkt waren meine Gedanken aber auch noch von der um mich tobenden Schlacht abgelenkt, so dass ich dem Mann, als er sich einmal beruhigt hatte, keine weitere Aufmerksamkeit schenkte. Da der Burghof fürs erste von Feinden befreit war, die Orks aber durch das gesprengte Tor vorrückten, beschlossen wir einen Ausfall durch das hintere Tor der Burg zu unternehmen, um den Feind in den Rücken zu fallen. Gestärkt und trunken von der Macht der Götter, die an diesem Abend gleich zweimal durch meinen Körper geflossen war, schloss ich mich dem Ausfalltrupp an, auch wenn ich nun rückblickend dies für großen Leichtsinn halte. Aber ich hatte Glück. Die orkischen Truppen waren in der Zeit, die wir zur Umrundung der Burg gebraucht hatten, bis in den Hof vorgedrungen, wo sie dem erbitterten Widerstand der verbliebenen Truppen entgegenstanden. Einer der dort kämpfenden berichtete mir später, dass es dort zwischenzeitlich sehr schlecht ausgesehen hätte. Einige der Orks waren wohl von finsterer Magie und dämonischem Unheil gestärkt und streckten mit übernatürlicher Stärke manchen unserer Kämpfer zu Boden. Durch den Angriff in ihren Rücken gelang es uns aber, die nicht besessenen in die Flucht zu schlagen, während die verseuchten, die wie in Berserkerwut bis zum letzten Blutstropfen wild um sich schlugen, von unseren göttertreuen Kriegern vernichtet wurden.

Die Schlacht war gewonnen, Mishkaranor, der sich, wie ich später hörte, im Hof aufgehalten hatte, war zumindest vertrieben worden, und Alena von Sappenstiel, auf die der Feind es wohl abgesehen hatte, war sicher beschützt worden. Aber kaum einer war unter den unsrigen, der nicht verletzt war – die wenigen, die von den Schlägen der Orks und der Dämonen verschont geblieben waren, spürten doch auch den Schmerz in ihrer Seele, den der Anblick der Dämonen, der Manifestation des Bösen auf Dere, ihnen bereitet hatte.

Viele Verwundetet mussten vor allem am Burgtor geborgen werden, die letzte, die man schwer verletzt und blutend ins Heilerzimmer trug, war Rondriane von Sappenstiel. Wie eine Löwin, so erzählte man mir später, hatte die Burgherrin an der Seite ihrer Wachen und der Krieger das Tor zu verteidigen versucht.

Auch die Zahl der erschlagenen Orks war groß. An Feierlichkeiten war an diesem Abend natürlich nicht mehr zu denken, und die meisten von uns versorgten nur noch ihre Wunden und saßen eine Weile zusammen, um den Schrecken etwas fortzutreiben, bevor sie erschöpft ins Bett fielen.

Der nächste Morgen war sonnig und angenehm warm. Es war, als wollte Praios uns für unseren Sieg loben. Die Körper der erschlagenen Orks wurden fortgebracht und verbrannt, Kunibald von Sappenstiel selbst brachte den Kopf des in der Schlacht getöteten Orkhäuptlings in die Burg. Vielen der Verwundeten ging es zwar besser, aber die meisten genossen einfach die wärmenden Strahlen der Praiosscheibe und erholten sich von den Strapazen der Schlacht. In der Burg waren die meisten der Geweihten, sowie die Vertreter der Familie Sappenstiel zusammengekommen, um nun, da die Zeit es erlaubte, über eine Frage zu beschließen, für deren Klärung an den tagen davor keine Zeit gefunden worden war. Es ging dabei um ein Wesen, dass vor einem Götterlauf in der Nähe der Burg bemerkt worden war, weil es sich bei dem erwähnten befreundeten Orkstamm aufhielt. Das Wesen, welches als Tiefling bezeichnet wurde und sich selbst Arkasha nannte, war in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit geraten, da es, vom Körperbau her eine menschliche Frau, auf der Stirn zwei Hörner trug. Sowohl der Inquisitionsrat Odilon Prem als auch der Draconiter Quendas von Silas waren von ihrer Kirche geschickt worden, näheres über dieses Wesen herauszufinden. Die Familie von Sappenstiel hatte Arkasha vorerst unter ihren Schutz gestellt, da sie, insbesondere im Laufe der Ereignisse um Mishkaranor, stets eine gute Gesinnung und Hilfsbereitschaft an den Tag gelegt hatte. Nun wurde die Frage diskutiert, ob sich in ihrem Blute gar dämonisches Erbe befände und wie mit ihr zu verfahren sei, insbesondere, falls sich eine dämonische Saat in ihr nachweisen ließe – insbesondere in anbetracht der Tatsache, dass ihre Seele rein von Makeln wäre.

Es entbrannten lange Diskussionen und Befragungen, während denen Ingerimm meine Geduld aufs Neue Herausforderte, aber schließlich wurden folgende Erkenntnisse gewonnen und Beschlüsse gefasst. Da ich mich im Namen der Ingerimm-Kirche an der Entscheidungsfindung beteiligte, möchte ich Euch bitten, diesen bericht dem Tempelvorstand vorzulegen.

Es stellte sich heraus, dass Arkasha die beunruhigenden Merkmale von ihrem Vater geerbt hatte, der sie wiederum von seiner Mutter gehabt hatte. Das Kind war nie gesegnet oder initiiert worden, um in der Gesellschaft des Dorfes, in dem sie lebte, keine Aufmerksamkeit zu erregen. Sie wuchs ohne Kontakt zur Außenwelt auf. Als sie sieben war, wurde der Makel an ihrem Vater entdeckt und beide Elternteile wurden von einem Mob oder sogar von der Praioskirche hingerichtet. Sie entkam und schloss sich irgendwann anscheinend den Orks an.

Es wurde entschieden, und dafür hatte auch ich plädiert, zunächst eine freiwillig von Arkasha gegebene Blutprobe mit dem genannten Draconiter zu dessen Orden zu bringen, wo man über die Mittel verfügt, dieses Blut auf Dämonische Keime hin zu analysieren. Sollte sich der Verdacht als unbegründet herausstellen, geht die Sache an das Haus Sappenstiel, welches Arkasha als gern gesehenen Gast auf seinen Ländereien als Dank für ihre Hilfe betrachten will. Sollte sich aber der Verdacht ihrer dämonischen Herkunft bestätigen, so wird sie vor den Rat des Ordo Draconis gebracht werden, welcher dann – als befugteres Gremium als die Versammlung in Harmlyn – über ihr Schicksal entscheiden möge. Bis das Ergebnis der Analyse Harmlyn erreicht, ist es Arkasha nicht gestattet, die Ländereien der Sappenstiels zu verlassen und sie hat Rondriane von Sappenstiel einen Treueeid geschworen und von ihr den Auftrag erhalten, in den Ruinen ihres Heimatdorfes nach weiteren hinweisen auf ihre Herkunft zu suchen. Da die Sache die Ingerimm-Kirche wahrscheinlich nicht weiter belangen und interessieren wird, dass mit diesem Entschluss die beste Lösung gefunden wurde, da ich nicht darüber urteilen möchte, ob das göttliche Gebot der Unversehrtheit des derischen Leibs über dem der Reinheit der Seele steht oder nicht. Die von Hesinde gesegneten Männer und Frauen des Draconiterordens sind in meinen Augen für dieses Urteil, sollte es nötig sein, am geeignetsten.

Außerdem wurde nach der Verhandlung verkündet, dass Kunibald von Sappenstiel nicht das Lehen Elgern-Scharten antreten wird. Im Gegenteil plant er, seine Residenz vollständig zu verlegen. Ob das damit zusammenhängt, dass seine Gemahlin Raskra von Sappenstiel, die gebürtige Thorwalerin ist, während der Verhandlung wütend das Zimmer – und anscheinend gleich das Königreich Nostria – in Richtung Thorwal verließ, darüber kann ich nur mutmaßen.

Das Lehen sollte jedenfalls an seiner Stelle Answin, der Sohn von Alena und Answin, antreten. Da dieser erst drei Götterläufe zählt, übernimmt ein nostrischer Baron aus der Nachbarschaft, K´Raven ap Adersin, die Vormundschaft. Der Ball fand also etwas verspätet statt, und da es dem Baron von Weidenau weniger um die Person Kunibalds als um den künftigen Herrscher von Elgern-Scharten ging, überreichten wir das Schwert dem kleinen Answin, stellvertretend natürlich dem Baron von Adersin. Die Feiern verliefen friedlich und waren sehr erholsam, und so verbrachte ich noch ein paar ruhige Tage in Harmlyn. Ich hatte meine Hilfe bei der Reperatur des Burgtores angeboten, welches unter dem Ansturm der Orks geborsten war, so dass ich viel Zeit in der Schmiede des Dorfes verbrachte und bei der Arbeit die Nähe des Herrn Ingerimm finden konnte. Der Schmied des Ortes ist ein sehr gläubiger Mann, der fleißig ist und seinen Gesellen gut behandelt, ich werde ihn in meine Gebete einschließen.

Nun, die meisten der Gäste reisten natürlich bald nach dem Ball ab, darunter auch viele der Freunde, die ich während all dieser Ereignisse gewonnen hatte. Aber dadurch konnte ich noch viele ruhige und sehr erbauliche Gespräche mit einigen der Angestellten der Burg, insbesondere mit den hiesigen Geweihten führen. Ich überlege nun, da mein Aufenthalt hier sich jetzt auch dem Ende neigt, mich einer Gruppe anzuschließen, die den Weg ins Herzogtum Weiden antreten will. Natürlich werde ich Euch auch in Zukunft auf brieflichem Wege von meinen weiteren Reisen und Erlebnissen berichten und schließe Euch und den Tempel in meine Gebete ein.

 

Möge Eure Laterne ewig brennen,

 

Faberon Noldis

 
Christian Praetorius
 
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